Todesfeststellung per Video: Neue gesetzliche Möglichkeit in Niederösterreich

Seit dem 1. Oktober 2024 ist es in Niederösterreich unter bestimmten Voraussetzungen möglich, eine Todesfeststellung telemedizinisch durchzuführen. Ziel dieser Neuerung ist es, den zunehmenden Versorgungsengpässen bei Gemeindeärzten entgegenzuwirken und die Versorgungssicherheit – vor allem in Pflegeheimen – zu verbessern.

Was genau ist erlaubt?

Die telemedizinische Todesfeststellung darf ausschließlich bei erwarteten Todesfällen erfolgen, also bei Menschen mit bekannter schwerer Erkrankung oder in palliativer Betreuung, bei denen keine Reanimationsmaßnahmen mehr gewünscht werden.

Die Durchführung erfolgt wie folgt:

  • Zunächst wird versucht, den zuständigen Gemeindearzt zu erreichen.

  • Ist dieser nicht verfügbar, entsendet die Rettungsleitstelle eine speziell geschulte Pflegefachkraft, eine sogenannte Acute Community Nurse (ACN).

  • Diese führt vor Ort eine medizinische Erstuntersuchung durch, inklusive:

    • Pupillenkontrolle

    • zentraler und peripherer Pulskontrolle

    • EKG zur Feststellung der Null-Linie

    • Kurz-Anamnese

  • Anschließend wird per Live-Video (EmergencyEye) eine visuelle Einschätzung durch den diensthabenden Leitstellenarzt durchgeführt.

  • Ist der Tod eindeutig feststellbar, wird eine elektronisch signierte Todesfeststellung an die ACN übermittelt, die sie an Pflegepersonal oder das Bestattungsunternehmen weitergibt.

Wichtig zu wissen für Angehörige

Die Angehörigen werden gebeten, den Raum während der Videoübertragung zu verlassen, um Pietät zu wahren. Es erfolgt keine Aufzeichnung oder Speicherung von Bildmaterial. Die visuelle Zuschaltung ersetzt lediglich die physische Anwesenheit eines Arztes – die rechtlichen und ethischen Standards bleiben aufrecht.

Fall Wiener Neustadt: Wenn das Gesetz missachtet wird

So weit die Theorie. Doch die Praxis zeigt: Auch das beste System hilft nichts, wenn es nicht eingehalten wird.

Lichtblick Bestattung wurde kürzlich zu einem Pflegeheim in Wiener Neustadt gerufen. Laut telefonischer Auskunft war der Todesfall „freigegeben“. Vor Ort stellte sich jedoch heraus: Es war kein Arzt erschienen. Keine Pflegekraft hatte ein EKG durchgeführt. Es wurde keine Null-Linie festgestellt. Die Todesfeststellung erfolgte ausschließlich über einen Eintrag im System – ohne physischen Arztkontakt, ohne objektive Untersuchung. Der Notarzt fragte via Internet ob ein EKG vorhanden wäre. Das verneinte die Pflegekraft. Daruf sagte der Arzt: „Oh, schade. Dann müssen wir’s halt so machen.

Auf unsere Beschwerde beim Ärztenotdienst kam die Antwort: „Das machen wir jetzt so – im Einvernehmen mit der Ärztekammer.“

Doch genau das ist nicht erlaubt.

Was hier falsch lief:

  • Keine Null-Linie: Ohne EKG kann kein Tod festgestellt werden – das ist medizinischer Standard.

  • Keine Protokollierung vor Ort: Weder Anamnese noch standardisierte Checklisten wurden durchgeführt.

  • Kein rechtliches Fundament: Ohne diese Schritte fehlt jede Grundlage für eine gültige Todesfeststellung.

Dieser Fall ist kein Einzelfall – sondern Ausdruck eines strukturellen Problems. Besonders an Wochenenden sind weder Gemeindeärzte noch Totenbeschauärzte verfügbar. Einrichtungen ohne Kühlmöglichkeit sehen sich gezwungen, Verstorbene vorzeitig abholen zu lassen – oft auf Kosten der Pietät, der geltenden Rechtslage und verbunden mit Mehrkosten für Angehörige.